INNENSTADTENTWICKLUNG IN ZEITEN VON E-COMMERCE UND DIGITALISIERUNG

Ein Stadtzentrum ist von besonderer Bedeutung für die Identität und für das öffentliche Leben seiner Stadt. Hier zeugen historische Bauwerke von der Geschichte und zeitgenössische Bauwerke repräsentieren das Gemeinwesen (Rathaus, Verwaltung, Museen etc.). Außerdem befinden sich im Stadtzentrum die am höchsten frequentierten, öffentlichen Räume, die traditionell durch den zahlreich vorhandenen Einzelhandel belebt werden. Schätzungen zu Folge verzeichnete der stationäre Einzelhandel in Deutschland rund 50 Millionen Kundenkontakte pro Tag. Entsprechend groß ist auch das Aufkommen an Fußgänger*innen, die insbesondere die öffentlichen Räume in den Stadtzentren zum Zweck von Einkäufen und privaten Erledigungen nutzen.

Passantenfrequenzanalysen verschiedener Anbieter zeigen jedoch, dass die Zahlen in den vergangenen Jahren stagnierten. In vielen Mittelstädten und strukturschwachen Kommunen waren sie sogar rückläufig und während der Corona-Krise waren Einbrüche um bis zu 90% keine Seltenheit. Das öffentliche Leben in den Stadtzentren kam fast völlig zum Erliegen. Jüngste Erhebungen deuten darauf hin, dass sich die Passantenzahlen wieder erholen, es aber davon auszugehen ist, dass sich der allmähliche Abwärtstrend, der vielerorts schon vor Corona nachweisbar war, langfristig fortsetzen wird. Die Ursache dafür ist das anhaltende Wachstum des Onlinehandels, das dem stationären Handel mehr und mehr Kundschaft streitig macht. Auch in anderen Bereichen wirkt sich die Digitalisierung negativ auf die Nutzung öffentlicher Räume in den Stadtzentren aus. Zu nennen sind insbesondere die Verlagerung von innerstädtischen Büroarbeitsplätzen ins Homeoffice, der Ausbau digitaler Dienstleistungen (z.B. digitales Rathaus) sowie die verstärkte Nutzung von Bringdiensten (z.B. Essens-, Einkaufs- und Getränkelieferdienste).

Noch können die Auswirkungen der Corona-Krise nicht abschließend bewertet werden. Sicher ist aber, dass die öffentlichen Räume in den Stadtzentren und die daran gelegenen Handelsimmobilien aufgrund von Onlinehandel und Digitalisierung zunehmend unter Druck geraten werden. Darum sind Anpassungen in den Stadtzentren unvermeidlich, wenn sie auch in Zukunft ihrer Bedeutung als Ort der Identifikation und des öffentlichen Lebens gerecht werden sollen. Die Abteilung für Stadt- und Raumentwicklung befasst sich in der Lehre u.a. mit alternativen Stadtentwicklungskonzepten und mit der Umnutzung ehemaliger Einzelhandelsimmobilien. Außerdem ist Tim Rieniets aktiv am fachlichen Diskurs über die Transformation der Innenstädte beteiligt.