UMBAUKULTUR | ÖKOLOGISCHES & ARCHITEKTONISCHES POTENZIAL

Eine intensive und intelligente Nutzung baulicher Bestände ist ein wirksames Mittel, um die ökologischen Folgekosten des Bausektors zu reduzieren. Außerdem birgt die Bestandsnutzung das Potenzial, bedeutenden Themen unserer Zeit, wie Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz einen eigenständigen, architektonischen Ausdruck zu verleihen. Die Abteilung für Stadt- und Raumentwicklung setzt sich in Forschung, Lehre und in der öffentlichen Debatte für mehr „Umbaukultur“ ein.

Ein Viertel aller CO2-Emissionen in Deutschland entfallen auf die privaten Haushalte. Der größte Teil davon geht wiederum auf die Erzeugung von Heizwärme zurück, der in Deutschland überwiegend aus fossilen Energieträgern gewonnen wird. Deshalb konzentrierten sich die bisherigen Bemühungen für mehr Klimaschutz am Bau fast ausschließlich auf die Einsparung von Heizenergie – durch besseren Wärmeschutz, effizientere Heiztechnik und den Einsatz alternativer Energie. Aber trotz großer technischer Fortschritte, haben die Bemühungen der vergangenen Jahrzehnte die Gesamtenergiebilanz privater Haushalt kaum verbessert. Grund dafür ist vor allem der ständige Zuwachs des Pro-Kopf-Bedarfs an (beheiztem) Wohnraum. Aus diesem Grund steht heute nicht mehr allein der Betrieb von Gebäuden im Fokus der Nachhaltigkeitsdebatte, sondern auch die Herstellung von Gebäuden und die dadurch verursachten ökologischen und kulturellen Folgen:

1. Graue Energie

Als graue Energie bezeichnet man jene Energie, die für die Herstellung, Instandhaltung und schließlich für den Abbruch und ggf. das Recycling von Gebäuden aufgebracht werden muss. Je effizienter die Gebäude im Betrieb werden, um so größer wird im Verhältnis dazu der Anteil der grauen Energie. Aus diesem Grund wird der Einsparung grauer Energie in Zukunft eine wachsende Bedeutung zukommen.

2. Rohstoffverbrauch

In Deutschland werden jährlich rund 600 Millionen Tonnen an Rohstoffen verbaut. Dabei handelt es sich größtenteils um mineralische Stoffe, die nicht erneuerbar sind (z.B. Stein), die bei der Herstellung große Mengen an CO2freisetzen (z.B. Zement) und deren Entnahme aus dem Naturhaushalt zum Teil schwere Schäden an Umwelt und Landschaft hinterlassen (z.B. bei Sand, Kies).

3. Bauabfall

Mehr als die Hälfte aller Abfälle in Deutschland, stammt aus der Bauwirtschaft. Nur ca. 7% dieses Materials kommt wieder im Hochbau zum Einsatz. Der Rest wird zu minderwertigen Zwecken verwendet (z.B. Straßenbau) oder wird deponiert.

4. Kulturelle und identitätsstiftende Werte

In Deutschland werden jedes Jahr mehr als 14.000 Abrisse von Gebäuden registriert (Stand 2021). Dadurch entstehen nicht nur große Mengen an Bauabfall (s. oben), es werden auch vielfach Gebäude zerstört, die aufgrund ihrer konstruktiven oder architektonischen Qualität, ihres architekturgeschichtlichen Zeugniswertes oder ihrer ortsgeschichtlichen Bedeutung erhaltenswert sind.

Eine wirksame Möglichkeit, die oben genannten negativen Auswirkungen auf die ökologischen Folgekosten zu reduzieren besteht darin, die Zerstörung alter Bausubstanz zu vermeiden, den baulichen Bestand intensiver zu nutzen und das Neubauvolumen zu reduzieren. Auf diese Weise können graue Energie, Rohstoffe, und Abfälle eingespart sowie kulturelle Werte erhalten werden. Außerdem bietet der Umbau von Bestandsgebäuden die Möglichkeit, besonders bedeutenden Themen unserer Zeit, wie Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz, einen zeitgemäßen, architektonischen Ausdruck zu verleihen.